Inobhutnahme: Rechtsmittel

Grundsätzlich gilt: Je länger die Fremdunterbringung andauert, desto schwieriger wird die Rückführung. Insofern gilt es bei einer Inobhutnahme sofort zu handeln. Grundvoraussetzung, um die Fremdunterbringung schnellstmöglich zu beenden, ist der Inobhutnahme zu widersprechen.

Nach der Inobhutnahme versuchen die Jugendamt-Mitarbeiter in einem Gespräch – mal mit mehr und mal mit weniger Druck – die Erziehungsberechtigten davon zu überzeugen, dass sie der Fremdunterbringung ihres Kindes zustimmen sollen. Stimmen die Erziehungsberechtigung dem zu, stehen die Chancen auf eine baldige Rückkehr der Kinder sehr schlecht.

Verlangen die Erziehungsberechtigten gemäß § 42 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII die Herausgabe der Kinder, muss das Jugendamt – wenn es der Herausgabe der Kinder nicht zustimmt – gemäß § 42 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII beim zuständigen Amtsgericht (Abteilung: Familiengericht) sowohl im Eilverfahren als auch im Hauptsacheverfahren den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts beantragen.

Für die Verhandlung vor dem Familiengericht sollte unbedingt ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden, der sich – beispielsweise auf seiner Internetseite oder auf der Internetseite www.anwalt.de – in irgendeiner Form zum Thema Inobhutnahme geäußert hat. Viele Rechtsanwälte werden umgangssprachlich als sogenannte „Untergangsbegleiter“ bezeichnet. Die Wahl des richtigen Anwalts ist daher von entscheidender Bedeutung.

Sollte das Familiengericht im Eilverfahren dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrecht zustimmen, sollte man sich damit nicht zufrieden geben, sondern unbedingt Beschwerde einreichen, sodass der Fall vor dem Oberlandesgericht landet. Je länger das Kind sich in Fremdunterbringung befindet, desto schlechter stehen die Chancen auf eine Rückkehr. Damit, dass es sich beim Eilverfahren lediglich um eine „vorläufige Entscheidung“ handelt, sollte man sich nicht abspeisen lassen. Zum einen dauert diese „vorläufige Entscheidung“ mehrere Monate an. Zum anderen schafft diese „vorläufige Entscheidung“ neue Tatsachen. Beispielsweise, dass das Kind eine Bindung zu den Pflegeeltern entwickelt.

Viele entscheidungsschwache Familienrichter am Amtsgericht folgen dem Jugendamt blind. Insofern sollte man sich von einem negativen erstinstanzlichen Beschluss nicht entmutigen lassen. Am Oberlandesgericht stehen die Chancen meist besser, da die Richter es dort im Rahmen von Beschwerdeverfahren gewohnt sind, auch anderslautende Entscheidungen zu treffen als vom Jugendamt empfohlen.

In der Praxis haben Widersprüche gegen Inobhutnahmen im familiengerichtlichen Eilverfahren oft Erfolg, wenn sie mit einem Privatgutachten bzw. einer privatgutachterlichen Stellungnahme untermauert werden. Da im Eilverfahren im Regelfall kein Sachverständiger seitens des Gerichts bestellt wird, wiegt das Wort eines Privatgutachters, der ein abgeschlossenes Psychologie-Studium vorweisen kann, umso mehr.

Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege der einstweiligen Anordnung kann im Übrigen auch vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich angegriffen werden. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 1292/15 hob das Bundesverfassungsgericht am 29. September 2015 den Beschluss des OLG Hamm auf, wonach der Kindesmutter wegen einer Kindeswohlgefährdung das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Eilverfahren entzogen worden war. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 3121/13 hob das Bundesverfassungsgericht am 7. April 2014 den Beschluss des OLG Düsseldorf auf, wonach den Kindeseltern u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge im Eilverfahren entzogen worden war.

Gelingt es im Eilverfahren eine Rückkehr des Kindes in den elterlichen Haushalt zu veranlassen, kann vor dem zuständigen Verwaltungsgericht beantragt werden, dass festgestellt wird, dass die Inobhutnahme unverhältnismäßig und somit rechtswidrig war. Ein gesondertes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, bei dem die Rechtswidrigkeit des staatlichen Handelns zum Zeitpunkt der Inobhutnahme festgestellt werden soll, macht Sinn, wenn ein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld im Raum steht.

Zur besseren Verdeutlichung: Am Familiengericht bzw. Oberlandesgericht wird formalrechtlich festgestellt, ob zum Zeitpunkt des Gerichtsbeschlusses, also Wochen nach der Inobhutnahme, eine Fremdunterbringung, d.h. in der Praxis der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, erforderlich ist. Ob die Inobhutnahme Wochen zuvor rechtmäßig war oder nicht, wird hierdurch nicht rechtsverbindlich festgestellt. Die rechtsverbindliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit einer Inobhutnahme obliegt dem Verwaltungsgericht.